Werkstatt Schulbau oder Berlin baut Bildung

Die Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie hat im September 2016 eine interdisziplinäre Facharbeitsgruppe (FAG) „Schulraumqualität“ ins Leben gerufen.

Aufgabe dieser Gruppe aus 70 Expertinnen und Experten war es, über die „städtebaulichen und pädagogischen Anforderungen der modernen Schulbauten“ nachzudenken und Empfehlungen dafür zu entwickeln. Denn aufgrund steigender Schülerzahlen werden in Berlin in den nächsten Jahren über 30 neue Schulen für mehrere Hundert Millionen Euro gebaut.

Senatorin Scheeres wollte dabei „diesen Prozess partizipativ gestalten und möglichst viele Positionen in die Diskussion einbeziehen“ und somit bestand die FAG aus Personen des Landesschulbeirats, der Vertretungen der Eltern, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler, sowie den Senatsverwaltungen für Stadtentwicklung und Finanzen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Bezirke.

Inhaltlich sollte über die folgenden Themen nachgedacht werden:

  • die zeitgemäße Gestaltung des Ganztagsbetriebs,
  • die Inklusion,
  • das Lernen in heterogenen und teilweise jahrgangsübergreifenden Lerngruppen,
  • das digitale Lernen,
  • die sozialräumliche Öffnung von Schulen.

Diese umfassenden Themen sollten in der FAG von den 70 Beteiligten bis Anfang 2017 bearbeitet werden und in Empfehlungen für die Schulraumqualität einfließen. Ein sehr ambitionierter Plan aus der damaligen Sicht.

…und? Hat die FAG es geschafft?

Am 08.02.2017 hat nun die FAG ihre Empfehlungen in einem Ergebnisbericht an die Bildungssenatorin Frau Scheeres und die Stadtenwicklungssenatorin Frau Lompscher übergeben.

Der Bericht besteht aus zwei Teilen, dem Bericht und den Grafiken.

Die FAG unterteilte sich bei der Erarbeitung in die drei Teilbereiche Pädagogik, Architektur und den Standards sowie Sozialräumliche Öffnung.

Die zentralen Empfehlungen der FAG lauten: „eine konsequente Abkehr von den klassischen so genannten Flurschulen des 19. und 20. Jahrhunderts…“, „…den Neubau von Schulen nach dem neuen Konzept der Berliner Lern- und Teamhäuser…“ sowie „…Schulen als integrale Bestandteile in lokalen Bildungsverbünden in den Stadtquartieren zu verstehen und zu konzipieren…“.

Die Teilarbeitsgruppe Pädagogik beschreibt die Ziele folgendermaßen:
„Ziel der Facharbeitsgruppe Schulraumqualität ist es, Mindestanforderungen und -standards für neue Schulbauten und deren Ausstattung zu formulieren, eine neue und zeitgemäße Typologie zu entwickeln, Anregungen zu geben und Impulse zu setzen, damit neue Schulhäuser wachsen können, die als Lernorte mit der Qualität von Lebensorten konzipiert sind“.

In der Teilarbeitsgruppe Architektur und Standards wurden Ergebnisse erarbeitet, die „für die weitere planerische und bauliche Umsetzung die Schwerpunkte zukünftig notwendig werdender Anpassungen“ beschreiben. Dazu entwicklte sie diese exemplarisch für eine dreizügige Grundschule, einer vierzügigen Integrierten Sekundarschule (ISS) mit dreizügiger gymnasialer Oberstufe (GO) und einer vierzügigen Gemeinschaftsschule.

Die Teilarbeitsgruppe Sozialräumliche Öffnung beschäftigte sich damit, „Schule als Standortfaktor stärker als bisher in den Blick zu nehmen und die Bedeutung von Schule im Stadtraum aufzuwerten“. Ein für mich bemerkenswerter Satz dabei ist: „Neue Schulen zu bauen, bedeutet mehr, als neue Schulen zu bauen“. Es geht vielmehr darum, „Schule als integralen Bestandteil im lokalen Bildungsnetzwerk zu etablieren“.

Empfehlungen sind das Eine, die Umsetzung das Nächste

Am 18.02.2017 hatte die GEW Berlin zu einer Fachkonferenz mit dem Titel „Werkstatt Schulbau“ in die Fritz-Karsen-Schule eingeladen, um über die Empfehlungen der Facharbeitsgruppe Schulraumqualität zu reden.

Die Konferenz startete mit Impulsreferaten zu den Herausforderungen und Chancen, dem Ist-Zustand des Schulbaus in Berlin und den pädagogischen Anforderungen an den Schulbau.


Es ergab sich dabei auch Raum, Forderungen aufzustellen.

In den sich anschließenden fünf Workshops wurden verschiedene Themengebiete rund um den Schulbau bearbeitet. So ging es um

  • Schulumbau und Sanierung – partizipativ und innovativ
  • Neubau Schule – Beispiel aus Berlin und München
  • Gesunder Arbeitsplatz für Pädagog*innen
  • Einbindung von Schule in das soziale Umfeld – das Campusmodell
  • „Phase Null“ – Partizipationsprozesse in Schule gestalten

Nach der Mittagspause folgte eine Podiumsdiskussion zu den zentralen Handlungsfeldern „Wie Schulen in Berlin schnell und innovativ bauen?“.

Reden hilft. Und was wird daraus?

Aus meiner Sicht war diese Fachkonferenz eine gute Möglichkeit, um engagierte und beteiligte Menschen zusammenzubringen und die Worte aus den Empfehlungen mit Leben zu füllen.

Es haben sich dort Personen mit einer oder mehreren Funktionen aus den Bereichen Lehrerschaft, Architektur, Erziehung, Eltern- und Schülerschaft, Politik und weiteren Institutionen versammelt.
Das Interesse, die Schule von heute für Morgen zu entwickeln war offensichtlich und selbstverständlich gab gibt es unterschiedliche Erwartungen an die Umsetzungen einzelner Aspekte beim Schulbau, allein schon aufgrund der vielfältigen Erfahrungen mit und in Schule.

Dennoch hatte ich den Eindruck, dass die Zielsetzung, wohin es mit der Schule gehen soll, allen Anwesenden bewusst war und als sinnvoll eingeschätzt wird.

[Nebenbemerkung: Es ist zu unterscheiden, dass es hier um den Schulneubau geht. Die notwendigen Sanierungen bestehender Schulen sind nicht das Thema auf dieser Veranstaltung gewesen. Frau Scheeres hatte dies in Ihrem Beitrag aber kurz erwähnt.]

In der Facharbeitsgruppe Schulraumqualität ist es scheinbar gut gelungen, über die Beteiligung verschiedener Interessensgruppen und Perspektiven gemeinsam eine Empfehlung zu erstellen, die von der politischen Seite angenommen wird.
Im Zuge dieses Prozesses zeigt sich, dass die Verwaltung sich neuen internen Prozessen der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit öffnet und dabei positive Erfahrungen sammelt. Die ressortübergreifende Taskforce Schulbau hat Erkenntnisse gewonnen, die in der bisherigen Verwaltungsstruktur nicht sichtbar geworden wären, schilderte der Staatssekretär für Bildung Mark Rackles.

Die beschriebenen Beobachtungen und Gespräche mit einigen Beteiligten weisen für mich auf einen gelungenen Partizipation-Prozess hin.

Partizipation ist kein Selbstläufer, sie muss immer wieder gestaltet werden, sie verändert sich im Laufe eines Prozesses. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass es im Bereich Schulbau darum gehen wird, aus den Empfehlungen und der Bereitschaft weitere Partizipationsprozesse bei den neuen Planungs- und Bauprojekten zu gestalten und begleiten. Hier geht die Arbeit weiter.

Irgendwer sagte auf der Veranstaltung sinngemäß „Das Päckchen ist ausgeliefert, jetzt müssen wir schauen, was drin ist“.

Weiterführende Links:
Die Berliner Zeitung berichtete über die Fachkonferenz

Kommentare (4) Schreibe einen Kommentar

    • Liebe Christa Schäfer,

      vielen Dank.
      Auch ich bin gespannt, wie die Partizipationsprozesse gestaltet werden.
      Wir werden sehen…

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    • Liebe Kerstin,

      es freut mich, wenn Dir der Beitrag gefällt.
      Schau mal wegen der Mindeststandards in die Empfehlungen der FAG (PDF) dort werden auf Seite 37 die Standards beschrieben, um die es geht.
      Selbstverständlich wird sich dabei auf bestehende planungsrechtliche, planerische und bauliche Standards gestützt. Dort werden diese aufgelistet.

      Ansonsten empfehle ich einen Blick in den zweiten Band. Dort bekommt man, im wahrsten Sinne, einen Eindruck, wie es aussehen kann.
      Entscheidend wird sein, wie „vor Ort“ die Planungen dann umgesetzt werden. An diesem Punkt steht die Herausforderung, partizipativ alle Interessensgruppen miteinzubeziehen.
      Ein spannendes Projekt in diesem Zusammenhang sind da z.B. die Baupiloten. Vielleicht kennst Du sie?

      Gruß
      Tobias

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