Gelesen: “ Die Mediation muss sich wandeln …“ von Michael Eichhorn

In meiner Twitter-Timeline bin ich auf den Artikel vom „streitbaren Steuerberater“ (Selbstbeschreibung) und Wirtschaftsmediator Michael Eichhorn aufmerksam geworden.

In seinem Beitrag Die Mediation muss sich wandeln… berichtet er von einem Grundsatz-Vortrag von Katharina Gräfin von Schlieffen, Direktorin des Contarini-Instituts für Mediation und wissenschaftliche Direktorin des Masterstudiengangs für Mediation an der FernUniversität Hagen auf dem 8. Deutschen Mediationstag in Jena.
Er bezeichnet diesen Vortrag (mit dem Titel „Back to the roots“) als „intellektuellen Höhepunkt des Kongresses“.

Gräfin von Schlieffen beschäftigte sich darin mit der „organisierten Mediation“ (diese Formulierung weckte bei mir eine etwas kriminelle Assoziation, was wahrscheinlich auch gewollt ist) und beklagte, dass „die Nachfrage nach Mediation […] mangelhaft“, „der Mediationsmarkt […] überwiegend ein Bildungsmarkt“ sei und „der Mediation […] die Praxis“ fehle. Sie plädierte für „eine Rückbesinnung auf den Kern von Mediation“.

Dieser Kern sei, dass Mediatorinnen und Mediatoren vernetzt sind und „die Fähigkeit zu Distanz und Reflexion besitzen, um in einem dialogischen Verfahren mit den Parteien alle verschiedenen Aspekte zu erwägen“. Sie sieht in Praxis, Training und Haltung die Vorraussetzungen dafür.

Michael Eichhorn stimmt diesen Aussagen zu, denn er hält „einen Großteil des Diskurses über Mediation für graue Theorie, dem man oft anmerkt, dass sie gerade keine praktischen Fälle berücksichtigt.“

Er fordert „die Mediation muss sich von der organisierten Selbstbespiegelung lösen und sich mehr darum bemühen, den Weg in die Praxis zu finden. Wir sollten weniger Energie darauf verwenden, haarscharf und akademisch zwischen verschiedenen ADR-Verfahren zu unterscheiden und mehr darauf, den ADR-Gedanken unter die Leute zu bringen.“

Aus diesem Grund fordert er „mehr Veranstaltungen über Mediation, mit denen die Berufs- und Arbeitswelt erreicht werden kann, als zertifizierte Mediationsausbildungen und Mediationskongresse“.

Dieser Aussage kann ich eindeutig zustimmen, es geht darum, …

…ins Gespräch zu kommen

Diese Aussage lässt sich leicht twittern. Die Umsetzung ist aber nicht so einfach.
Aus meiner Sicht wird das „ins Gespräch kommen“ dadurch erschwert, dass es den meisten Menschen schwerfällt, über Konflikte zu reden.

Wenn ich darüber nachdenke, wo und in welcher Form mir in Schule, in Ausbildung und Alltag Konflikte begegnet sind und wie damit umgegangen worden ist, kann ich mich nur vage daran erinnern.
Die Definition und Wahrnehmung von Konflikten, so wie sie sich mir heute darstellt, nehme ich erst seit meiner Weiterbildung zum Mediator so deutlich wahr.

Ebenso stelle ich fest, dass sich der Umgang mit Konflikten zumeist darin erschöpft, sich bei anderen Personen, online oder offline, darüber zu ärgern, die eigene Position zu beschreiben und Zustimmung zu dieser Position zu erhalten.

Konflikte stören…

Ein Konflikt wird in der Regel als Störung erlebt, die „den (Arbeits-)Prozess aufhält“, „den Erfolg verhindert“,  „die Entwicklung bremst“ oder „Mehrarbeit bedeutet“.

Oft wird die Entstehung von Konflikten auch mit (persönlichen) Fehlern in Verbindung gebracht. Irgendjemand hat durch sein Verhalten den Konflikt „entstehen lassen“, „ihn erzeugt“. Diese Person ist schuld, sie „verschuldet“ den Konflikt, ist also „verantwortlich“ dafür.
In dieser Logik entsteht sehr schnell der Druck, sich „entschuldigen“ zu müssen, also die Schuld von sich zu weisen. (Im [Ironie] günstigsten [Ironie] Fall gibt es jemand anderes, den man im Gegenzug „beschuldigen“ kann.)
In einer solche Atmosphäre kann sehr schnell der Eindruck entstehen, dass es „einfacher“ sei, den Konflikt nicht zu bearbeiten, ihn vielleicht sogar zu ignorieren.

…na dann ist es ja klar…

Wenn es in Schule, Ausbildung, Beruf und Alltag üblich ist, dass Konflikte negativ erlebt und bewertet werden, dann ist nachvollziehbar, dass es wenig bis keine Bereitschaft gibt, sich mit Konflikten auseinanderzusetzen.

Das bedeutet aber auch, dass die oben erwähnte Zielstellung, „ins Gespräch kommen“, kaum Anknüpfungspunkte hat.

Wenn Konflikte „kein Thema sind“, wie sollen Mediatoren dann darüber reden? Wovon sollen sie berichten? Was macht Konflikte interessant?

Wollen wir mal die Perspektive wechseln?

Vielleicht hilft an dieser Stelle ein wichtiges methodisches Element in der Mediation: Der Perspektivwechsel.
Vielleicht ist die Hürde im Umgang mit Konflikten nicht ganz so hoch, wenn Menschen beginnen über die Möglichkeiten und Chancen von Konflikten zu reden und weniger über die Belastungen und Einschränkungen.
Vielleicht richtet sich dann das Augenmerk nicht nur auf die Positionen, sondern auf die Bedürfnisse dahinter.
Vielleicht entstehen daraus die richtigen Fragen, um die persönlichen Bedürfnisse aller Beteiligten zu berücksichtigen und nicht nur die von Wenigen oder einzelnen Gruppen.

Ich finde, wir sollten darüber sprechen, welche Leistungsfähigkeit Konflikte haben können. Vielleicht rede ich demnächst mehr über das Konfliktpotenzial.

Was meint ihr?

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