Workshop zur Demokratiepädagogik auf dem Fachtag der Fachgruppe Mediation in Erziehung und Bildung

Anfang Februar war ich für zwei Tage eingeladen, auf einer Veranstaltung der Fachgruppe „Mediation in Erziehung und Bildung“ des Bundesverbandes Mediation (BM), einen Workshop zum Thema Demokratiepädagogik durchzuführen.

Als Mediator und Mitglied des Bundesverbandes Mediation hat mich das Interesse an diesem Thema sehr gefreut, gerade weil Demokratiepädagogik einige Verbindungslinien mit der Mediation hat und nach meiner Ansicht von einer mediativen Haltung der Akteure profitieren kann.

Die Arbeit der Fachgruppen (es gibt zur Zeit zwölf Fachgruppen zu verschiedenen Themengebieten) dient der Vernetzung und Weiterentwicklung dieser Themen im Hinblick auf die Mediation. Die Fachgruppe organisieren sich selber und veranstalten, je nach Interesse und Bedarf auch persönliche Treffen, um Organisatorisches und Inhaltliches zu besprechen und sich auszutauschen.

Diese Mal fand die Veranstaltung in der Waldorfschule in Sorsum (südwestlich von Hannover) statt. Zu meiner persönlichen Freude durfte ich sowohl die Hin- als auch die Rückfahrt mit meiner lieben Kollegin Christa Schäfer verbringen. Somit begann der fachliche Austausch schon bereits auf dem Weg zur Veranstaltung und endete erst bei der Rückkehr in Berlin.

Eine Schülerfirma für MediatorInnen

Am Freitagabend startete die Veranstaltung mit einem Vortrag: „Über den Tellerrand“ – Übergreifende Arbeit von StreitschlichterInnen.
Frank Wooßmann hat als Schulsozialarbeiter an einer niedersächsischen Schule StreitschlichterInnen ausgebildet. Er hat dazu eine Schülerfirma gegründet und dort die Ausbildung und den Einsatz der Schülerinnen und Schüler organisiert. Im Sinne unternehmerischer Strukturen gab es eine leitende Person und „angestellte“ Schülerinnen und Schüler, die ihre Aufgabengebiete und entsprechende Verantwortungen erhielten.

Diese Strukturen gaben den Rahmen vor, innerhalb dessen die Verantwortungen und Aufgaben eindeutig definiert waren. Die Schülerinnen und Schüler waren darüber informiert und wussten, was sie zu tun hatten.
Herr Wooßmann beschrieb, das die Schülerinnen und Schüler die Eindeutigkeit, z.B. durch klare Arbeitsanweisungen und -aufträge sehr dankbar annahmen und somit positive Erfahrungen in einer verantwortungsvollen Rollen machen konnten.

Ein Satz, mit dem er sehr bildhaft die Grundidee des Konzeptes beschrieb, lautete: „Von Adam zu Eva“. Damit bezog er sich nicht auf biblische Grundlagen, sondern erklärte die beiden, als Akronym zu verwendende, Begriffe. Die klaren Strukturen, Anweisungen und Aufgaben beschrieb er als Handeln nach ADAM – „Alles Durch Anweisungen Machen“.
Die Erfahrungen als StreitschlichterInnen in den unterschiedlichen Konfliktsituationen führte zur Stärkung der Selbstwirksamkeit der Schülerinnen und Schüler. Die unterschiedlichen Konflikte ließen sich nicht nach einem „Schema F“ mit den Konfliktparteien lösen, sondern benötigten individuelle Wege und Methoden. Das sich dabei entwickelnde Verständnis des eigenen Handelns ordnete er dem Begriff EVA zu – „EigenVerantwortliches Arbeiten“.

Workshop zur Demokratiepädagogik

Am nächsten Tag durfte ich mit meinen Workshop zur Demokratiepädagogik in der Schule durchführen. Gemeinsam starteten wir mit einer persönlichen und positiven Erinnerung, um einen guten Einstieg ins Thema zu bekommen.

Anhand verschiedener Zitate zur Demokratie konnten sich die TeilnehmerInnen über ihr eigenes Verständnis des Begriffes bewusst werden und in den Austausch mit Anderen gehen. Dabei wurde deutlich, dass Demokratie sich schwer allgemeingültig definieren lässt.

Im Weiteren haben wir uns mit einem strukturellen Modell von Demokratie beschäftigt und über Gerhard Himmelmanns Verständnis von Demokratie-Lernen nachgedacht. Er unterscheidet drei Ebenen auf denen Menschen der Demokratie begegnen:

Demokratie wird erlebt als…

  • …Herrschaftsform
  • …Gesellschaftsform
  • …Lebensform

Dabei ist ihm wichtig, dass „Schüler zunächst Erfahrungen in der Demokratie als Lebensform sammeln können sollten, eine Erfahrung, die stufenförmig erweitert zum Verständnis der Demokratie als Gesellschaftsform und schließlich zur Demokratie als Herrschaftsform entwickelt werden muss.“ (in „Demokratie lernen“, 2016)

Nach der Vorstellung, was unter den drei Ebenen zu verstehen ist, überlegten wir, welche schulischen und unterrichtlichen Aktivitäten und Elemente dazu dienen können, das Demokratie-Lernen zu gestalten und ermöglichen.

Abschließend durfte der Transfer vom Theoretischen zum Eigenen nicht fehlen. Die TeilnehmerInnen sollten sich überlegen, an welchen Stellen ihrer Berührungspunkte mit Schulen sie bereits Demokratie-Lernen ermöglichen und an welchen sie es in Zukunft ausbauen möchten.

Die rege Beteiligung und interessanten Fragen sind meiner Ansicht nach der Beleg für das Interesse, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Darüber habe ich mich gefreut und ich hoffe, dass ich zu neuen Gedanken anregen konnte.

Zum Abschluss des Workshops zeigte ich ein Beispiel, bei dem Schülerinnen und Schüler ganz individuelle Freiheiten haben, um wahrgenommen zu werden.
Wer Lust hat, sich das sehr kurze Video auf Twitter anzuschauen, findet es hier.

Das Projekt Khetni

Sascha Adler stellte das Projekt Khetni ( = zusammen) vor, das Mediation für Sinti und Roma an Münchner Schulen anbietet.

Sinti und Roma werden in der heutigen Wahrnehmung als eine Gruppe wahrgenommen, dabei sind es eigentlich mehrere Untergruppen. Es gibt mehr als eine Theorie zur Herkunft der Gruppen.

Mittlerweile leben sie seit über 200 Jahren in Deutschland, denken Deutsch, sind deutsch, nehmen sich selbst aber nicht als Deutsch wahr.

Eine Integration hat nie stattgefunden, kulturelle Impulse von außerhalb der eigenen Volksgruppe hat es kaum gegeben bzw. hatten sie keinen großen Einfluss. Somit ist die Entwicklung einer Identität als Deutsche Sinti und Roma sehr eingeschränkt.

Aus diesem Grund ist es ersichtlich, dass es eine starke Orientierung an der eigenen Geschichte und damit verbundenen Erfahrungen gibt. Diese Erfahrungen werden von Generation zu Generation weiter gegeben und besitzen auch heute noch eine hohe Relevanz.

Sascha Adler berichtete, dass dabei immer wieder falsches Wissen weitergegeben wird und daraus konflikthafte Situation im sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhang entstehen. Erfahrungen z.B. aus der NS-Zeit, nicht mit Behörden zu kooperieren, sondern die Angelegenheiten innerhalb der eigenen Gruppe zu regeln, besitzen noch heute eine hohe Relevanz.

Im Zusammenhang mit der Schule entstehen somit immer wieder Konflikte, bei denen die Lehrkräfte aufgrund fehlenden Wissens überfordert sind. Das Projekt Khetni bietet sein Erfahrungs- und Hintergrundwissen im Umgang mit der eigenen Gruppe der Roma an und unterstützt bei Übersetzungen und Konfliktlösungen. Das gegenseitige Verständnis, ein wesentliches Element der Mediation, ist in ihrer Arbeit sehr wichtig und schafft Raum für gemeinsam erarbeitete Lösungen. Zudem bilden sie Sinti und Roma zu MediatorInnen aus und erhielten dafür 2016 den Förderpreis „Münchener Lichtblicke“.

Für mich hat dieser Vortrag ein weiteres Mal verdeutlicht, wie wichtig die mediative Haltung alleine ist, um präventiv, die Bedürfnisse und Interessen von Menschen zu erfragen und zu berücksichtigen.

Übrigens ist am 8. April der Internationale Tag der Roma.

 


* Sascha verwendete dieses Begriffspaar, so dass ich es hier ebenfalls benutze. Um sich etwas einzulesen geht es hier zur Wikipedia.

Kommentare (2) Schreibe einen Kommentar

  1. Danke für Deine Berichte. Alles drei klingt spannend. Schülerfirma klingt nach Bezahlung der Kunden, aber davon ist nicht die Rede. Das würde mich interessieren. Die Sinti-Roma-Mediation ist ein tolles Projekt, das es in Berlin auch bei der RAA gab. Es ist sehr hilfreich, dass Du über Demokratiepädagogik aufklärst.

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    • Hallo Kerstin,

      danke für Deinen Kommentar.

      Du hast Recht, ich hatte auch immer wieder die Assoziation, dass eine Schülerfirma „Gewinne“ erwirtschaftet und diese einsetzen muss. Da die „Leistungen“ unentgeltlich und für die SchülerInnen der Schule angeboten wurden, gab es keine zahlenden Kunden.
      An dieser Stelle und im Zusammenhang Konflikte lösen hat mich der Begriff Schülerfirma irritiert.

      Danke für den Hinweis auf das Projekt der RAA Berlin (Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie e.V.). Es ist hier zu finden: http://raa-berlin.de/service/angebote-und-projekte/.
      Interessanterweise bin ich dabei auf ein Interview mit Alexander Adler, in der Broschüre “Bildungsaufbruch! Für die gleichberechtigte Teilhabe von Sinti und Roma in Deutschland” mit Handlungsempfehlungen aus dem September 2014, gestoßen: http://raa-berlin.de/wp-content/uploads/2014/11/bildungsaufbruch.pdf

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